Gefragt zum Thema “Malerei-Hype” wurde ich als Betroffene, im Sinne von “Betroffene einer umfassenden Sanierung eines heruntergekommenen Wohngebiets”: am Rande der schönen neuen Stadt, der es jetzt ähnlicher werden soll. Wehmütig ahnt man schon, daß man von solventeren Mietern verdrängt werden wird, sobald die Wohnungen wieder präsentabel sind. Einige der liebsten Nachbarn sind schon ausgezogen.

Man stelle sich ein vergammeltes Haus vor. Außen die Spuren von Schießereien während der Nazizeit, drinnen in den Küchen wacklige Duschen aus der DDR, in den Ecken stehen die Bierflaschen noch seit den wilden Hausbesetzertagen in den 80ern herum. Das Haus sei jetzt mal “Die Malerei”, und da wohne auch ich. Ich bin die Elfenbeinschnitzerin im Erdgeschoß. Tag ein, Tag aus sitze ich auf dem Ofen, umgeben von meinen fünf haarenden Katzen, und schnitze an durchbrochenen Elfenbeineiern.

Natürlich benutze ich kein ganz echtes Elfenbein, das ist ja verboten, aber meine Arbeit ist echt. Trotzdem gibt es wütende Jugendliche, die glauben, ich persönlich sei für das Aussterben der Elefanten verantwortlich, nur um die Laune einiger reicher Menschen zu befriedigen, und mir die Scheiben einwerfen.

Das ist ungerecht, finde ich. Ich mache meine Arbeit gut und benutze ein hervorragendes Imitat. Meine Eier werden in einem Geschäft in der Innenstadt verkauft, ein paar Mal im Jahr, und davon lebe ich. Ich wünsche mir sehr, daß meine Käufer ihre Sammlungen allen zeigen, vielleicht einmal einem Kunstgewerbemuseum vermachen; wäre das nicht schön?

Meine Eierchen sind leicht zu transportieren, man kann sie in eine Manteltasche stecken. Das Material kostet mich so wenig, daß ich manchmal nur zum Spaß daraus etwas ganz anderes schnitze. Man kann sie auch leicht wegwerfen, wenn man sie eines Tages vielleicht nicht mehr will: das sind keine sperrigen Sonderanfertigungen, keine aufwendigen Möbel oder Autos. Einfach einmal drauf treten, kaputt ist es.

Es gab da mal welche, vor hundert Jahren, die wollten das Eiermachen revolutionieren. Auf einmal sahen sie überall Bakeliteierbecher auftauchen und sagten sich: die kann man wenigstens zu etwas gebrauchen! Und sie imitierten die Bakeliteierbecher in Elfenbein. Andere sagten darauf verbissen: “Nein, das Eiermachen muß nutzlos bleiben. Um das deutlich zu machen, werden wir die Form des Eis von seinem natürlichen Vorbild entfernen.” Und sie fingen an, quadratische Eier zu schnitzen. Die konnte man zwar gut stapeln, aber eine solche Wand aus gestapelten Elfenbeinwürfeln sah doch irgendwie langweilig aus.

Ich liebe die alten Formen. Wenn man genau hinsieht, dann sind meine Eier mit keinen anderen zu verwechseln. Ich schnitze drei, vier, fünf ineinander, und besonders die inneren haben Muster, die noch niemand vorher gesehen hat.