El Hadji Sys Atelier befindet sich etwas außerhalb von Dakar in den Baracken der chinesischen Arbeiter, die Mitte der 80er-Jahre das große Stadion Léopold Sédar Senghor errichteten. Dort hat sich ein Künstlerdorf gebildet. Wir sitzen an einem Tisch vor seinem kleinen Garten, neben uns ein großer, runder Stein.

EHS: Dieser Stein wurde nicht behauen. Das ist kein bearbeiteter Stein. Nein. So war er, als ich ihn gefunden habe. Und jetzt hat er eine andere Symbolik. Dadurch, dass er aus dem Magma kommt, steht er in Verbindung mit der Sonne.

Er begießt den Stein mit Wasser.

EHS: Berühr den Stein. Der hier wurde so oft angefasst, dass er ganz glatt geworden ist. So wie an dieser Stelle dort.

An dieser Geschichte interessiert mich Folgendes in Bezug auf den Stein: Vor seinem Tod führten Clémentine und ich Gespräche mit Djibril Diop Mambéty[1], der damals schon krank war. Wir sind auf die Insel Ngor gefahren, haben uns neben ihn gesetzt und uns unterhalten. Da lenkte er meine Aufmerksamkeit auf die Steine am Meeresufer, weil sie interessante natürliche Formen haben, und die Frage war: Was hat Gott in die Steine gelegt? Und das war ein sehr metaphysisches Gespräch. Und als wir ihn dann verlassen hatten und ich von seinem Tod erfuhr, suchte ich nach einem Stein, denn ich hatte beschlossen, ihm einen Grabstein zu setzen und eine Bedeutung in diesen Stein zu legen. Jetzt ist dieser Stein Mambéty. Verstehst du? Also – auf seine Frage, was Gott in die Steine getan hat, weiß ich keine Antwort. Aber ich weiß, was ich, symbolisch gesehen, in diesen hier hineingelegt habe.

El Hadji Sy legt zwei weiße Kaurimuscheln auf den Tisch, die ihm von Issa Samb geschenkt wurden.

EHS: Heute sind die Kauris sehr präsent in Afrika, aber ihr Ursprung ist nicht afrikanisch. Man findet sie in allen Halsketten, auf allen Masken, aber ursprünglich sind sie nicht afrikanisch. In Vorbereitung auf „africa ’95“ haben wir nach einem Logo gesucht. Ich schlug eine Kauri vor. Mit Clementine haben wir Recherchen gemacht, wir haben den Hintergrund der Kauri durchleuchtet. Vor gar nicht langer Zeit war das hier das Geld.

A: Ich weiß.

EHS: Aber bevor sie bei uns zu Geld wurde, war sie das Geld in Indien. Und als die Engländer gekommen sind, haben sie alle Kauris mitgenommen, in den königlichen Palast nach Buckingham geschafft und durch das englische Geld ersetzt. Ihre Bedeutung hat sich also verändert. Aber ihr Ursprung ist aquatisch und animalisch zugleich. Es ist die große Schlange. Wenn sie ihr irdisches Leben hinter sich lässt, streckt sie sich entlang eines langen Spießes, bis ihr Kopf oben ankommt, und der Schwanz ist am Boden. In diesem Moment verlässt sie die Erde, um in die Wasser zu gehen.
Ins Wasser. Ins Meer. Oder in den Fluss.

A: Ja.

EHS: Und die Kauri ist etwas, das sich auf dem Kopf der Schlange befindet, hier.

El Hadji Sy hält die Kaurimuschel an seine Stirn.

Nach einer kurzen Pause steht er auf, geht in sein Atelier und kommt mit zwei Objekten zurück, die er auf den Tisch stellt: einem goldenen schweren Block und einem kleinen Kopf, der aus einem runden Stein und ein paar Holzstückchen gebildet wird.

A: Und das? Was ist das hier?

EHS: Das ist Eisen.

A: Es ist Eisen, aber es gibt vor, Gold zu sein.

EHS: Nein, ich habe es angemalt.

A: Du hast es angemalt.

EHS: Ich habe hier also interveniert. Für mich habe ich den Sinn dieses Objet trouvé geändert. Indem ich eingegriffen habe, habe ich ihm ein neues Leben gegeben.

A: Ja. Genauso wie es der junge Kunsthandwerker mit der Maske gemacht hat.

EHS: Richtig. Er hat einen Stein aufgelesen, und er hat sich nicht mit dem Fund begnügt, sondern er wollte ihn verbessern, seine Struktur verändern, und er hat angefangen, Verbindungen herzustellen, im Wissen, dass es ein Stein ist – mit anderen Materialien, nämlich mit Holz und Leim, und jetzt hast du keinen Stein mehr. Jetzt hast du eine Maske, die aber aus zwei Materialien besteht: Holz und Stein. Das ist es, was mich interessiert.

A: Genau das ist es, was ich tun werde. Weißt du, das hier ist wie ein – jetzt fehlt mir das Wort – wenn man eine Tür hat, und die Tür öffnet sich hier, da drin, wie heißt das Teil, das dafür sorgt, dass sie sich öffnen lässt?

EHS: Ein Scharnier.

A: Ja, ein Scharnier. Ich liebe dieses Wort, Scharnier. Und ich versuche immer, in alles, was ich mache, viele Scharniere einzubauen. Hierher zu kommen, ist auch so eine Art Scharnier.

EHS: Ja. Damit sich meine Spiegel so drehen, wie ich es will, verwende ich Scharniere. Aber niemand, der Scharniere macht, hat die Art Scharnier vorgesehen, die ich für meine Spiegel brauche. Deshalb war ich gezwungen, sie mir selbst auszudenken. Hast du das System der Scharniere hier gesehen?

A: Nein.

EHS: Schau es dir an. Wo sind die Scharniere? Da unten! Es sind die beiden kleinen Holzstücke. Ja, und mit dem Eisenteil bilden sie ein Scharnier.

A: Es gibt ein Werk von Marcel Duchamp, da gibt es eine Tür, die sich öffnet, und dann sind da zwei Wände mit zwei Öffnungen, und diese Tür kann also entweder die eine Öffnung schließen oder die andere. Sie hat zwei Möglichkeiten, zu schließen.

EHS: Ja.

A: Ich mag solche Dinge sehr, wie Scharniere, die nicht bloß einfache Scharniere sind. Wenn du es herumdrehst, ist es vielleicht dasselbe, aber wie im Spiegel, ja? Verstehst du, was ich sagen will?

EHS: Ja.

A: So, dass du es nicht mehr von rechts nach links, sondern von links nach rechts lesen kannst.

EHS: Dort auf meinen großen Spiegeln habe ich Porträts gemacht. Und die Porträts sind keine Leute, die ich kenne. Ich zeichne, und es ist das, was ich in mir trage – es ist also meine Art, die Welt zu sehen. Ok? Bei mir sieht man keine Ikonen oder Berühmtheiten. Ich lerne die Person in dem Porträt erst kennen, wenn ich es gemalt habe. Dann habe ich diese Spiegel dahinter gesetzt und diese Struktur gebaut. Da sich in der Galerie die Spiegel drehen lassen, sieht der Betrachter das (gemalte) Porträt, und wenn er sich dann dahinter stellt, dann habe ich auch sein Porträt erhalten. In dem Moment der Spiegelung, der für mich tatsächlich der virtuelle, der reale Moment ist. Der virtuelle. Das ist der Moment, in dem der Betrachter selbst zum ephemeren Porträt wird. Denn wenn er geht, verschwindet es. Das hat mich schließlich dazu gebracht, direkt auf die Spiegel zu zeichnen. Auf diesem Spiegel ist kein Print, aber auf den anderen da drinnen habe ich Fragmente von Gesichtern gemalt, als würde ich vom Spiegel verlangen, mir die Leute zu zeigen, die sich spiegeln. Die du nicht sehen kannst.

A: Wenn ich mit den Objekten nach Hause zurückkehre, werde ich sie in meinen Gemälden verwenden. In den Gemälden werden sie in einem neuen Zusammenhang sein, mit Menschen, die sie tragen, mit anderen Dingen.

EHS: Es sind nicht die Objekte, die du in die Bilder einfügen wirst, sondern die Bilder von diesen Objekten.

A: Ja, richtig. Nicht die Objekte selbst.

EHS: Ja. Wenn du einen Künstler wie Rauschenberg nimmst, der hat amorphe Dinge gefunden und sie eingefügt – es waren nicht die Bilder, es war das Objekt selbst, das er eingefügt hat – und das war es, was es zu Collagen machte, mit Eimern, mit Schraubenschlüsseln. Noch vor Oldenburg. Aber bei dir ist es das Bild des Objekts, das du in deine Komposition aufnehmen wirst. Das ein Teil deiner Komposition wird.

A: Das Scharnier ist für mich der Versuch, den Punkt zu finden, an dem sie den Kontext verlieren oder aus dem Kontext heraustreten –

EHS: Aus dem ursprünglichen. Um einen neuen Kontext zu finden.

A: Genau. Also das Scharnier war für mich, als ich hierhergekommen bin, und auch während der ganzen Reise, die ich gemacht habe, sie mehr und mehr ihre Bedeutung verlieren zu lassen, und sie so zu entleeren, dass daraus Dinge werden, die ich vielleicht wieder aufladen kann.

EHS: Ja, absolut. Ich verstehe.

A: Issa hat mir in einem bestimmten Moment gesagt, dass er fand – es war nur ein Moment, aber ich finde das sehr richtig – er fand die Vorstellung schrecklich, dem Objekt seine Geschichte zu rauben.

EHS: Die Trauer des Objekts.

A: Ja, den Kontext, in dem es sich vorher befand. Wie bei den chinesischen Objekten. Er sagte, es sei furchtbar, so etwas zu versuchen – sie ihre Bedeutung verlieren zu lassen.

EHS: Das kommt darauf an. Wenn du nicht tatsächlich physisch eingreifst, veränderst du die ursprüngliche Bedeutung nicht.

A: Ja – nein.

EHS: Der Stein, der zur Maske geworden ist, hat sich verändert. Wenn man jetzt analysieren würde, was geschehen ist, wurde dann die Vergangenheit dieses Steins getötet, oder wurde ihm ein neues Leben gegeben, indem etwas hinzugefügt wurde?

A: Aber es ist doch trotzdem so, dass sich zum Beispiel der Meteorit schon verändert hat. Ich weiß nicht, ob du es genauso siehst, aber Abdou hat mir neulich erzählt, dass man (im Senegal) Meteoriten auch dazu verwenden kann, um sich (vor dem Gebet) zu reinigen.

EHS: Das sind Steine, das sind keine Meteoriten. Das ist ein Stein wie dieser hier.

Er zeigt auf den Grabstein.

EHS: Das ist Basalt, das ist Granit, und das kommt aus dem Magma.

A: Er hatte es mir so erklärt. Wenn ich also den Meteoriten hierher lege, auf diesen Tisch hier, dann gibt es Menschen, die diese Art Stein normalerweise verwenden, um sich zu reinigen – das verändert den Kontext und es verändert den Sinn, oder nicht?

EHS: Ja schon, aber es ist nicht dieser Stein, den man dafür benutzt.

A: Ja. Es ist ein anderer Stein.

EHS: Es ist ein anderer Stein.

A: Einverstanden.

EHS: Ich habe bereits versucht, dir den Unterschied zu erklären zwischen einem vulkanischen Ursprung und all den Dimensionen von etwas, was ein Meteorit ist. Er kommt vielleicht von einem anderen Planeten, ist ein Fragment – das ist es!

Ich habe schon gesagt, dass mich nicht das fertige Objekt an sich interessiert, sondern der Prozess. Der Prozess – das ist es, was mich antreibt. Es gab einen glücklichen Fund, der nun hier ist. Heute nimmt er für mich teil – wie deine Koffer, deine Kamera, deine Wasserflasche. Du bist mit Gegenständen hierhergekommen. Die quantifiziert sind. Ihr Gebrauch ist eine andere Sache.

A: Ich möchte einen letzten Versuch machen. Wenn ich dein Objekt hier nehme, das du gemacht hast, transformiert hast…

EHS: Ja, bei dem ich interveniert habe, dessen Kontext ich verändert habe.

A: Ich möchte dir sagen, was ich in diesem Objekt fühle. Einverstanden?

EHS: Ja.

A: Also, es ist extrem schwer, seine Form ist noch geometrischer als die des Meteoriten, und es ist golden angemalt. Gut, man sieht, dass es kein echtes Gold ist, aber dennoch hat man nicht den Eindruck, dass es eine Fälschung ist.

EHS: Nein.

A: Vor allem diese kleine Sache hier ist sehr seltsam.

Ich zeige El Hadji Sy eine Einkerbung in dem golden Objekt, die sich längs über eine Seite zieht.

A: Wenn es das nicht gäbe, wäre es wirklich nur eine geometrische Form, eine minimalistische Form, aber damit nimmt es fast eine menschliche Form an. Das spricht für mich ganz klar über den Wert, denn es hat ein Gewicht, es ist aus Gold, aber auch seine Form ist sehr imposant, sehr klar. Aus all diesen Gründen liebe ich dieses Objekt sehr, das mir innerlich die Idee von etwas sehr Klarem, gut Geformten und sehr Wichtigen gibt…

EHS: Es gab hier mehrere Eingriffe. Ich habe nur einen gemacht, den Akt des Bemalens. Als ich das Objekt gefunden habe, habe ich hier ein wenig Archäologie betrieben. Denn hier gab es fünfhundert Chinesen, die hier in diesen Baracken gewohnt haben, um das große Stadion zu bauen. Und all die Technologie, alle Eisen, die sie benutzt haben, all die kleinen Teile haben sie später in der Erde vergraben. Also, da ich hier einen Garten habe, grabe ich die Erde um, und es kann passieren, dass da Dinge zum Vorschein kommen, wie bei einem Archäologen, der etwas findet.

A: Verstehe.

EHS: Und dann sehe ich diese Einkerbung. Manchmal weiß ich, was etwas bedeutet, manchmal nicht. Das entstammt also der chinesischen Ingenieurskunst. Und es ist ein chinesisches Objekt.

A: Wie meins.

EHS: Wie deins.

A: Das ist merkwürdig, oder?

EHS: Aber jetzt ist es kein chinesisches Objekt mehr.

A: Ja. Und du, warum hast du es vergoldet?

EHS: Weil ich die Spur dieses Eingriffs ins Eisen gesehen habe.

A: Das bedeutet also für dich…

EHS: Ja, das wurde gemacht! Das war eine Hand! Eine Hand! Das war eine Hand, die hier eingeschnitten hat und die die Form gemacht hat! Es war nicht der Zufall, das ist nicht wie dein Stein, der noch ganz ist. In diesem Fall gab es Modifizierungen. Es gab eine Definition des Volumens, der Form, der Dichte, des Gewichts; vielleicht war es sogar ein Maßgewicht, ich habe keine Ahnung! Aber indem ich eingegriffen habe, habe ich ihm den Anschein eines Goldbarrens (frz. lingot d’or) gegeben.

A: Lingot d’or? Was bedeutet das?

EHS: Das sind Goldblöcke, wie die Barren, die in den staatlichen Goldvorräten lagern.

A: Klar.

EHS: Hier gibt es das Sprichwort: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

A: Es gibt also eine kleine Lüge da drin. Wie ein kleiner Witz oder etwas zum Lachen.

EHS: Nein, das wollte ich damit nicht sagen, ich scherze nicht. Aber nein. Das hier ist sehr ernsthaft, das ist sehr konstruiert.

A: Aber wenn du sagst: Es ist nicht alles Gold, was glänzt…

EHS: Ja, aber ja, aber das ist das Sprichwort.

Ich zeige auf die Teekanne in Form einer Hand.

A: Wie bei dem hier: Nicht alles, was einer Hand ähnelt, ist auch eine Hand.

EHS: Ja. Wenn ich es rot angemalt hätte, hättest du nicht von Gold gesprochen.

A: Nein, natürlich nicht. Klar.

EHS: Siehst du. Aber als du das Objekt angehoben hast, hast du sein Gewicht, seine Persönlichkeit, seinen Gehalt, seine Schwerkraft erkannt – den physischen, realen Körper, der es ist. Denn es ist nicht aus Marmor, sondern aus Eisen.

A: Also, noch eine Frage.

Ich öffne die Dose aus duftendem marokkanischen Wurzelholz. Zwei Glasaugen liegen darin.

A: Sagt dir das etwas?

EHS: Ja natürlich. Das sagt mir etwas.

A: Und was?

EHS: Das sind Pupillen.

A: Das sind Pupillen?

EHS: Ja, Pupillen, die in der Augenhöhle liegen. In der Höhlung des Auges.

A: Gut. Letztes Mal hast du einen Satz zitiert, den ich sehr interessant fand, von Sartre glaube ich.

EHS: Über das Auge?

A: Ja, erinnerst du dich?

EHS: Ja. Das ist aus dem Vorwort der ersten Anthologie der afrikanischen und madagassischen frankophonen Literatur von 1954, zusammengestellt von Senghor, Vorwort von Jean Paul Sartre. In seiner Einführung spricht er zum Westen und sagt: „Ihr, die ihr das Privileg habt, schauen zu können, ohne gesehen zu werden, seht nun, wie sich andere Augen ihrerseits öffnen, und euch anschauen, bis sich eure Pupillen in den Augenhöhlen drehen.“ Man müsste das Buch finden. Es ist bei Hachette erschienen.[2]

A: Ja. Ich werde danach schauen.

Ich nehme die schwarze Kugel in die Hand.

A: Diese ist schon schwarz, damit kann man nichts sehen.

EHS: Doch, natürlich. Man kann mit dem Schwarzen sehen.

A: Kann man mit dem Schwarzen sehen, und kann man sehen, wenn man die Pupillen im Inneren hat?

EHS: Man kann mit dem Schwarzen sehen. Das Schwarze ist bereits ein Spiegel. Du kannst dich darin spiegeln.

A: Für mich ist diese Kugel eine Erzählung von Borges. In dieser Geschichte spricht er von einer Kugel, die jemand in seinem Keller hat, und die alle Dinge dieser Welt enthält. Man kann in diese Kugel schauen, und darin findest du alles.

EHS: Ja.

A: Alle Dinge, die kleinsten, die größten – es ist alles da drinnen. Er nennt es das „Aleph“. Für mich ist das wie ein Spiel mit der schwarzen Kugel, denn dieses Schwarze – das kann am Ende auch einfach nur eine Billardkugel sein.

EHS: Nein, es kann auch die Pupille eines Auges sein. Denn die Erinnerung ist auch im Auge. Einverstanden? Jetzt nimm den ganzen Film aus der Kamera, du, die du filmst – wo ist dann das, was dein Auge schon gefilmt hat? Es ist im Schwarzen.

Er zeigt auf seinen Hinterkopf.

EHS: Hier drin. Irgendwo. Aber ganz sicher ist es da, denn das Auge ist ein Spiegel.

Diejenigen, die die Kameras gebaut haben, haben nichts anderes betrachtet als den Moment des Klick-Klack: das ist die Blende. Nichts anderes ist die Blende. Wenn sie offen ist, nimmt der Spiegel das Motiv auf, klick – wenn du sie schließt, tut sie es auf den Film, um sich dann erneut zu öffnen. Weiter geht das nicht. Die Blende des Fotoapparats ist das Auge des Künstlers. Das hier: Klick.

Er kneift sein Auge zu und öffnet es wieder.

A: Aber auf dem Weg vom Auge zum Gehirn verändert sich doch schon etwas. Die Information kommt nicht einfach so an, es ist keine Projektion ins Schwarze.

EHS: Darüber weiß ich nichts.

A: Alles, was wir sehen, ist doch schon eine Konstruktion, oder?

EHS: Ja natürlich, ich verstehe, was du meinst. –

Jetzt möchte ich zu deinen Objekten noch ein Objekt hinzufügen. Welches von den beiden wirst du wählen?

Vor mir liegen der falsche Goldbarren und die Maske aus Stein auf dem Tisch.

A: Nein, das kann ich nicht annehmen!

EHS: Kannst du nicht oder willst du nicht?

A: Ich will schon, aber das ist zu viel. Gut, wir machen es so. Wenn du wirklich darauf bestehst…ich soll eins von beiden wählen?

EHS: Nimm eins von beiden.

Ich lege meine Hand auf den falschen Goldbarren.

A: Das hier.

EHS: Also, dann ist es das, was du mitnehmen wirst.

A: Danke! Vielen Dank!

Ich stehe auf und umarme ihn.

EHS: Das ist doch nichts weiter.

A: Und wenn du nach Berlin kommst, wirst du dir all meine Objekte anschauen und eins davon nehmen, einverstanden?

EHS: Das ist doch kein Problem.

Er legt vorsichtig die beiden Kauris auf den Goldbarren.

EHS: Und die wirst du auch mitnehmen. So.

A: Oh, das ist so lieb von dir.

EHS: Das hat auf dich gewartet. Du warst es, auf die es gewartet hat. Ich glaube an diese Dinge.

A: Danke.

EHS: Alles, was uns umgibt, das verdienen die, die es brauchen, und ihnen gibt man es.

A: Aber du bist wirklich so großzügig, mit allem! Es ist nicht nur, dass du mir das Objekt gibst, sondern auch deine Zeit, wirklich, vielen Dank.

EHS: Nein, wir sind doch gleich, wir sind Künstler – vielleicht treibt einen etwas um, man sucht etwas…

A: Danke. Wirklich.

EHS: (auf Deutsch) Bitteschön. Nichts zu danken. Bitte, bitte.

A: (auf Deutsch) Doch. Viel zu danken.

Später. Wir haben gegrillten Fisch gegessen, Clémentine Deliss und andere Freunde haben sich zu uns gesetzt. El Hadji Sy gießt die Pflanzen in seinem kleinen Garten und lässt dann das Wasser auch über den Stein laufen, der Mambéty ist.

EHS: Die Farbe hat sich verändert, oder?

A: Machst du das oft, dem Stein Wasser zu geben?

EHS: Wenn ich den Pflanzen Wasser gebe, dann auch dem Stein.

Transkription und Übersetzung: Antje Majewski

 

[1]    Djibril Diop Mambéty (1945 – 1998), wichtiger senegalesischer Regisseur. Seine wenigen Filme wie „Touki Bouki“ (1973) und „Hyènes“ (1992) sind experimentell und voller symbolischer Bilder. Sie spielen unter den kleinen Leuten von Dakar und erzählen von ihrem Leben, ihren Sorgen. Untrennbar davon sind Mambétys Fragen nach dem Verhältnis Senegals zur Kolonialisation, zum Kapitalismus, zum Verlust der Traditionen, und seinem Versuch, eine neue Form für die Wahrheiten zu finden, die er sah. Seine letzte Trilogie von Kurzfilmen blieb unvollendet – nach „Le Franc” (1994) und „La Petite Vendeuse de Soleil” (1999)hätte „La Tailleuse de Pierre“ folgen sollen. Mambéty, El Hadji Sy und Issa Samb waren enge Freunde.
[2]    Jean Paul Sartre, Orphée Noir, in: Léopold Sédar Senghor, Anthologie de la Nouvelle poésie nègre et malgache de langue française, Presses Universitaires de France, 1948, IX. Im Original: „Diese Köpfe, die unsere Väter mit Gewalt bis zur Erde gebeugt hatten, denkt ihr denn, dass ihr Anbetung in ihren Augen lesen werdet, wenn sie sich erheben? Seht nun die schwarzen Menschen, die aufrecht vor uns stehen und uns anschauen – und ich wünsche euch, dass ihr wie ich die Erstarrung spürt, die es verursacht, gesehen zu werden. Denn der Weisse hat sich dreitausend Jahre lang am Privileg erfreut, zu sehen, ohne dass man ihn sieht; er war reiner Blick, das Licht in seinen Augen zog alle Dinge aus ihrem ursprünglichen Schatten, die Weisse seiner Haut war wiederum Blick, kondensiertes Licht. (…) Heute schauen uns diese schwarzen Menschen an, und unser Blick kehrt in unsere Augen zurück (notre regard rentre dans nos yeux); schwarze Fackeln erleuchten nun ihrerseits die Welt, und unsere weissen Köpfe sind nichts als kleine Lampions, die im Wind schwingen.“