Erstes Lied

 

Es lasse die Erde aufgehen Gras und Kraut, das Samen bringe, und fruchtbare Bäume auf Erden, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist.
1. Mose, 1:11

 

Winzige Pferdchen und Zebras, so groß wie Dackel
Leben in Regenwäldern, auch Europa war Urwald.
Mit der Eiszeit wird es zu kalt für die Bäume.
Gras breitet sich aus. Das Gras braucht nicht viel:
Bisschen Sonne, Kohlenstoff, Wasser
Reichen schon aus, ein genügsames Leben.
Gras bindet Kohlenstoff in den Boden.
Treibhauseffekt umgekehrt: Es bleibt kalt.

 

Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte.
1.Mose, 1:15

 

Vor 790.000 Jahren machen Menschenartige am oberen Jordan halt und kochen mit Feuer, an einem Ort namens Brücke der Töchter Jakobs, Jisr Banât Ya’qūb (جسر بنات يعقوب)‎‎ oder Gesher Bnot Ya’akov (גשר בנות יעקב)‎‎,
an der Grenze zwischen Israel und den Golan-Höhen,
genau an der Brücke, die die Via Maris über den Jordan führte,
dort, wo Karawanen aus China auf ihrem Weg nach Marokko zogen –
wo Ägypter, Assyrer, Hittiter, Juden, Sarazenen, Araber, Kreuzfahrer und ottomanische Janitscharen gingen.

 

Damals war hier ein See.
Und die Menschenartigen essen Gras:
Wilde Gerste, wilde Oliven, wilden Wein.
Sie schlachten Tiere und kochen mit Feuer.
Hier, bei der Brücke der Töchter Jakobs.

 

Vor 60.000 Jahren, in der Höhle von Kebara:
Ein Neanderthaler wird begraben.

Er kann sprechen.
Er sammelt wildes Getreide und mahlt es zu Brei.
Er kann kochen.
Ein Mensch.

Aber die anderen setzen sich durch.
Homo sapiens

 

 

Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan. (…)
Ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.
1. Mose, 1:27-29

 

Gras, wildes Gras.
Wächst dort, wo es feucht ist, unter den Eichen.
Wird von den Tieren gefressen, dann können sie laufen.
Die Menschen jagen die Tiere.
Essen das Gras.
Das Gras wilder Ziegen.
Das Einkorn-Gras.
Sie ziehen umher, essen, nehmen nichts mit, heben nichts auf.
Was sie haben, teilen sie. Sie sind die Gleichen.
Sie werden kaum mehr. Ab und zu erschlägt einer den anderen,
oder ein Kind stirbt. Aber sie sind selten krank.
Das große Land ist ihr Körper, ihre Körper sind das Land.
Ihre Ahnen, die Tiere und Pflanzen, zeigen die Wege.

 

Ohalo II, am See von Galilea, vor 19.000 Jahren:
Wilde Gerste, wilder Emmer, wilde Mandeln, wilde Oliven, wilde Pistazien, wilde Trauben,
Es gibt von allem so viel, dass sie lange bleiben,
Sich Hütten bauen, deren Boden mit Gras bedeckt ist.
Nun ist es warm und feucht im Winter, die Sommer sind lang und trocken.
Die Menschen sammeln die Körner
So übersteht man den Hunger.

Auf den Golan-Höhen, in der Jordansenke und auf den Höhen des Negev
Siedeln sich Menschen an,
bauen sich Häuser aus Stein und Lehm,
Handeln mit Obsidian aus Anatolien und Fisch aus dem Nil.
Machen sich Sicheln, Mörser, Mahlsteine für wilde Gerste.
Machen sich Kleider aus Flachs.

 

Wir sammeln die kleinen Körner, wo viele wachsen unter den Eichen.
Eine Handvoll kleine Körner, im Mörser zu mahlen.
Mit der steinernen Sichel geht es schneller.
Die reifen Körner springen davon.

Unreif muss ich euch suchen, am Feuer rösten, dass ihr genießbar werdet.
Grösser sollt ihr werden, mehr auf dem Halm, einfacher zu sammeln.
Einkorn– nur eines. Da sollten mehr sein.

 

Wilder Einkorn (Triticum boeticum)
Ziegengras (Aegilops speltoides)
Tausch’s Ziegengrass (Aegilops tauschii)
Domestizierter Einkorn (Triticum monococcum)
Emmer (Triticum dicoccum)
Dinkel (Triticum spelta)
Hartweizen (Triticum durum)
Weichweizen (Triticum aestivum)

 

 

Denn der HERR, dein Gott, führt dich in ein gutes Land,
ein Land, darin Bäche und Brunnen und Seen sind, die an den Bergen und in den Auen fließen,
ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen,
ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt,
ein Land, wo du Brot genug zu essen hast, wo dir nichts mangelt,
ein Land, in dessen Steinen Eisen ist, wo du Kupfererz aus den Bergen haust.
Und wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat.
5. Mose, 8:7-10

 

Wir bleiben da, wo die Körner sind.
Da sind zwei an einem Halm. Da sechs.
Da bleiben sie am Halm, bis wir dreschen.
Und da werden alle gleichzeitig reif.
Wir beobachten, wählen, legen Vorräte an.
Wir säen die Körner aus.
Wo wir auch Erbsen und Linsen säen.
Wo die Familie zusammen bleibt.
Wo wir nicht mehr mit dem Nachbarn teilen.
Wo wir ein Haus bauen und unser Feld abstecken.
Wo unsere Vorfahren unter dem Haus begraben sind. Das beweist: es ist unseres.
Wo das Land uns gehört, weil wir es bearbeiten.
Wir brauchen sie nicht, die anderen Gräser, die anderen Bäume, die anderen Esser.
Das Land trägt nun das, was uns nutzt.
Nur für uns.

 

Vor 12.000 Jahren gibt es Jericho schon,
wird dort Getreide angebaut, Vieh gehalten,
eine Mauer gebaut, ein Turm.
Den toten Ahnen macht man Gesichter aus Gips und Augen aus Muscheln
Und begräbt sie hinter der Schwelle im Innern der Häuser.
Die lebenden Toten hüten das Haus, den Besitz.

 

 

Verflucht sei der Acker um deinetwillen!
Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang.
Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen.
Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.
1.Mose, 3:17-19

 

Die Arbeit ist schwer.
Der Rücken tut weh.
Wir arbeiten von früh bis spät.
So dass die Familien grösser werden und mehr Kinder leben.

Meine Kinder, nicht deine.
Meine Familie, nicht deine.
Mein Land, nicht deins.

 

 

Und als nun die Knaben groß wurden,
wurde Esau ein Jäger und streifte auf dem Felde umher,
Jakob aber ein gesitteter Mann und blieb bei den Zelten.
Und Isaak hatte Esau lieb und aß gern von seinem Wildbret;
Rebekka aber hatte Jakob lieb.
Und Jakob kochte ein Gericht. Da kam Esau vom Feld und war müde
und sprach zu Jakob: Lass mich essen das rote Gericht;
denn ich bin müde. Daher heißt er Edom.
Aber Jakob sprach: Verkaufe mir heute deine Erstgeburt.
Esau antwortete: Siehe, ich muss doch sterben; was soll mir da die Erstgeburt?
1. Mose, 25:27-32

 

Gib mir das rote Gericht, die Linsen, die Körner.
Die du im Schweiße deines Angesichts angebaut hast.
Die kann ich heute essen.
Was morgen ist, kümmert mich nicht.
Ich bin ein Jäger. Ein Jäger besitzt nichts.

Aber der glatthäutige Jakob besitzt nun das Land.
Für Esau, den ersten Liebling des Vaters, bleibt kein Platz.
Für die Gazellen, die Esau jagte, bleibt kein Raum.
Die Äcker müssen grösser werden.
Die Eichen gefällt.
Weniger Wild, mehr Emmer.
Bewässerungsgräben, Speicher, Häuser, Städte, Befestigungen.
Die Fremden kommen.

 

 

Sie werden deine Ernte und dein Brot verzehren, sie werden deine Söhne und Töchter fressen, sie werden deine Schafe und Rinder verschlingen, sie werden deine Weinstöcke und Feigenbäume verzehren; deine festen Städte, auf die du dich verlässt, werden sie mit dem Schwert einnehmen.
Jeremia, 5:17

 

 

Krieg! Krieg!
Unsere Götter müssen uns schützen:
El, Asherah, Baal, Anat, Jahve, Anat-Yahu
Waffen müssen uns schützen, Soldaten, Anführer, Priester.
Sie alle fordern einen Teil der Ernte.

 

Das erste Geld sind Standardmaße von Roggen, im Sumer, 3000 BC.
Man bezahlt den Lohn, die Steuern, und den Preis für Sklaven in Roggen.
Die Pflanzen, die Menschen leben lassen,
können gegen Menschen eingetauscht werden.

 

 

Das soll nun die Abgabe sein, die ihr leisten sollt, nämlich den sechsten Teil eines Scheffels von einem Fass Weizen und den sechsten Teil eines Scheffels von einem Fass Gerste.
Hezekiel: 45, 13

 

 

Das schreiben wir auf. Das berechnen wir. Das kommt ins Archiv.
Namen, Siegel, Zahlen, Register, Rechnung, Steuer, Gebote, Verbote, Strafen.

 

Die Menschen von Jericho, oder da herum, werden mehr.
Sie ziehen durch Anatolien nach Europa.
Sie ziehen durch den Sinai nach Ägypten
Und treffen dort auf afrikanische Hirten, die wilden Sorghum sammeln.
Der Nil macht das Land fruchtbar.
„Der, der das Wasser ableitet“, wird Fürst.
Manchmal bleibt die Ernte aus.
Der, der Vorräte in Silos anlegt, wird Fürst.
Die Fürsten bekriegen sich.
Einer vereinigt das Land,
Pharao wird er genannt, „Großes Haus“.

 

 

Denn die Ägypter verkauften ein jeder seinen Acker, weil die Hungersnot schwer auf ihnen lag. Und so wurde das Land dem Pharao zu Eigen.
Und er machte das Volk leibeigen von einem Ende Ägyptens bis ans andere. […]
Da sprach Josef zu dem Volk: Siehe, ich hab heute euch und euer Feld für den Pharao gekauft; siehe, da habt ihr Korn zur Saat und nun besät das Feld.
Und von dem Getreide sollt ihr den Fünften dem Pharao geben; vier Teile sollen euer sein, das Feld zu besäen und zu eurer Speise und für euer Haus und eure Kinder.
1.Mose 47: 20-24

 

 

Wir haben alle Eichen gerodet, in Felder verwandelt
Das Land gibt nicht mehr so viel wie früher,
Sohn, du bist einer zu viel hier. Geh weg,
such dein Glück woanders.

 

Zweites Lied

Bauern aus der Levante, aus Anatolien siedeln zwischen den Jägern und Sammlern,
Vom Mittelmeer bis zur Nordsee bis zum Atlantik.
Wo man die Göttinnen verehrte, kommen erst Götter, dann Gott.
Brandenburg liegt im letzten Winkel Europas.
Slawische Stämme jagen unter den Buchen
Verteidigen sich gegen die Christen, die Klöster
Die den Wald roden, die Sümpfe trocknen
Und erst im 12. Jahrhundert nach Christus
Den Christus nach Himmelpfort bringen, und mit ihm
Den neu gezüchteten Weizen, das schimmernd weiße Brot,
Den Leib des Herrn, den Gott, den man essen kann.

 

 

Und er nahm das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach:
Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis.
Lukas: 22, 19

 

 

Die Kirche wird reich
Mein Bruder ist Mönch
Leib und Seele gehören dem Herrn, seinem Gott
Er schuftet auf den Äckern des Klosters
Isst wenig, schläft kalt, stirbt früh

 

Die Freien werden zu Bauern, Pächtern, Tagelöhnern, Leibeigenen.
Steuern als Getreide, als Vieh, als Frondienst, dann: Steuern als Geld.
Nicht nur der Pharao, König, Lehnherr, Bischof macht Geld
Auch der Großbauer, Händler, Müller.

 

Missernten, Feuersbrunst, Hagel, Pest
Ich kann die Steuer nicht zahlen
Wo vorher das Vieh des Dorfes weidete,
wird nun Getreide des Fronherrn gesät.
Holt man im Wald und im See, was allen gehörte und niemand:
das Wild, das Holz, die Fische – wird man bestraft.
Wir wollen unsere Freiheit zurück.

 

 

Wer vom Besitz der Armen opfert, der ist wie einer, der den Sohn vor den Augen des Vaters schlachtet.
Der Arme hat nichts zum Leben als ein wenig Brot; wer ihn auch noch darum bringt, der ist ein Mörder.
Wer seinem Nächsten die Nahrung nimmt, der tötet ihn.
Wer dem Arbeiter seinen Lohn nicht gibt, der ist ein Bluthund.
Jesus Sirach, 34: 24-26

 

 

Kanäle, Bewässerung, Wasserrad
Grabstock, Ritzpflug, Krümelpflug, Holzpflug, Umbruchpflug, Saatpflug, Räderpflug, Eisenpflug, Streichbrett, Stahlpflug
Schleifmühle, Wassermühle, Windmühle, Motormühle
Zwei Feld, Drei Feld, Dauerkultur mit Rüben und Klee
Tierische Düngung, Leguminosen, Mineraldünger

Die Leibeigenschaft geht zu Ende, man braucht sie nicht mehr.
Es gibt bald Traktoren.
Mehr Energieaufwand, weniger Muskelkraft und mehr Weizen.
Immer mehr Weizen.
Immer weniger Menschen sind Bauern. Sie können nun
Forschen, entwickeln, produzieren, malochen
Eine Welt voller Menschen und Güter
Ernährt von dem billigen Weizen.

 

Drittes Lied

Und der Weizen selbst kann verbessert werden:
Es ist nun steuerbar, was vererbt wird seit Mendel
Pflanzenzüchtung wird Wissenschaft.
Was Erwin Baur, der deutsche „Vater der Pflanzenzucht“,
über die Rassenhygiene schreibt,
wird von Hitler gelesen und umgesetzt.

 

 

Wie bin ich so elend! Wie bin ich so elend! Weh mir!
Denn es rauben die Räuber, ja, immerfort rauben die Räuber.
Über euch, Bewohner der Erde, kommt Schrecken und Grube und Netz.
Und wer entflieht vor dem Geschrei des Schreckens, der fällt in die Grube; und wer entkommt aus der Grube, der wird im Netz gefangen.
Denn die Fenster in der Höhe sind aufgetan, und die Grundfesten der Erde beben.
Jes.24, 16-18

 

 

In Brandenburg, in Gut Winkel, lerne ich alles
über Getreide, Melken, Traktoren, Dünger, Konserven
Endlich geht es auf die Alija nach Eretz Israel
Meine Eltern bleiben in Deutschland zurück, bei den Wahnsinnigen
die sich für die überlegene Rasse halten.
Ich seh sie nicht wieder.

Wir fangen mit nichts an, Steine und Disteln.
Im arabischen Dorf nebenan arbeiten sie noch mit der Hand
Und lassen die Felder brach liegen.
Unser Kibbutz legt die Leitungen und die Kanäle
Macht das Land fruchtbar, kauft gemeinsam Traktoren.
Wir sind stolz auf das neue Land und unsere Gemeinschaft,
in der alle gleich sind.
Wir pflanzen europäische Bäume, um uns zu Hause zu fühlen
Und modernen Weizen mit großen und prallen Ähren.

 

Mehr Menschen, mehr Weizen braucht mehr Wasser.
Entsalzungs- und Irrigationssysteme werden erfunden.
Heute versucht man, den Weizen mit ganz alten Gräsern zu kreuzen.
Resistent soll er werden: gegen Fusarien,
Viren, Kälte und Trockenheit.

Denn die Gegend um Jericho,
um die Brücke der Töchter Jakobs,
Kanaan, Eretz Israel
Wird schon bald heißer und trockener werden,
und das Meer wird steigen
Immer mehr Land wird zu Wüste
Und die Menschen werden um Wasser kämpfen:
das Wasser des Jordans und des Sees von Galiläa, Kinneret.

 

 

Wenn mein Ackerboden gegen mich schreit und seine Furchen miteinander weinen,
weil ich, ohne ihn zu bezahlen, seinen Ertrag verzehrt habe und die Seele seines Besitzers aushauchen ließ,
so soll statt Weizen Dorngestrüpp hervorkommen und Unkraut anstatt der Gerste!
Hiob, 31: 38-40

 

 

Wenn wir das Denken der Bauern verlernten
Weniger würden, uns mit wenig begnügten
Und teilten mit allen, die menschlich sind, und auch den anderen
Wenn das Land nicht mehr unser Besitz wäre
Und wir unsere Ahnen, die Tiere und Pflanzen, Teil unserer Familie,
ehrten und schützten, nicht nur unsere Väter,
wie auch die Fremdlinge, die unsere Schwestern und Brüder sind,
wenn wir das Wasser mit ihnen teilten,
und uns dankbar, pflanzengleich von der Sonne ernährten
könnten wir dann alle gemeinsam ein weniges länger leben?

 

Denn wir sind Fremdlinge und Gäste vor dir, wie alle unsere Väter.
Unser Leben auf Erden ist wie ein Schatten und bleibt nicht bestehen.
1. Chronik, 29:15